II. Doktorandenworkshop „Alevi-Studies“ am Bodensee (20.-21.06.2018)
Das Alevitische Bildungswerk „Şah İbrahim Veli” veranstaltete am 20. bis 21.06.2018 zum zweiten Mal ein Doktorandenworkshop in Immenstaat / Bodensee. Der Schwerpunkt und gleichzeitig das Thema des Doktorandenworkshops, was primär vom Vorsitzenden des Alevitischen Bildungswerks Hasan Öğütcü organisiert wurde, war wie zuvor auch „Alevi-Studies“. Acht Doktoranden aus unterschiedlichen Forschungsdisziplinen hatten die Gelegenheit unter der Leitung von langjährigen Alevitentumforschern PD. Robert Langer (Istanbul) und PD. Markus Dressler (Leipzig) ihre Promotionsprojekte vorzustellen bzw. selbst ausgewählte Problemstellungen im Plenum zu diskutieren. Mit dem Doktorandenworkshop ist die Idee verbunden, ein Doktorandenkolloquium zum Thema Alevi-Studies zu etablieren, um jungen Nachwuchswissenschaftler_innen, die zum Alevitentum forschen, die Möglichkeit zu geben methodische, theoretisch-heuristische und thematische Fragestellungen diskutieren zu können. Denn bisher war die Notwendigkeit und auch die Nachfrage nach einem solch spezifischen Doktorandenkolloquium für Forscher_innen zum Alevitentum groß und soll nun kontinuierlich jedes Jahr stattfinden. Das nächste Treffen ist bereits für das kommende Frühjahr 2019 geplant. Der Doktorandenworkshop dient sowohl dem wissenschaftlichen Austausch als auch der Vernetzung von jungen Nachwuchswissenschaftlern (die Veranstaltungssprache war Englisch).
Im Folgenden sollen kurze Zusammenfassungen der Vorträge der Doktoranden[1] einen Einblick sowohl in die während des Workshops besprochenen und diskutierten Inhalte geben als auch dazu dienen die aktuellen Forschungsprojekte zum Alevitentum kennenzulernen:
Benjamin Weineck, M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Fachgruppe Religionswissenschaft, Schwerpunkt Islam, an der Universität Bayreuth:
Die Dissertation mit dem vorläufigen Titel Geschichte der Kızılbaş-Aleviten im Osmanischen Staat, 16.-18. Jahrhundert untersucht das Verhältnis des Osmanischen Staates und den Kızılbaş-Aleviten für die Zeit zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert. Diese Zeit stellt bis heute eine untererforschte Periode des historischen Alevitentums dar: Während die Kızılbaş-Verfolgungen des 16. Jahrhunderts und die dazu gehörige osmanische Dokumentation recht gut und seit geraumer Zeit erforscht wurde, so ist bisher nicht klar, wie die überlebenden und in Anatolien verbliebenen Kızılbaş-Aleviten sich mit dem Osmanischen Staat fortan arrangierten. Auf breiter osmanischer Quellenbasis zeigt die Dissertation die Mechanismen und Strategien der Akkommodation von Kızılbaş-Aleviten auf. Dabei wird gleichzeitig auch sichtbar, wie diese Subjekte des Staates Räume der (ruralen) Administration für sich über lange Zeiträume hinweg beanspruchen konnten, und so auch eine eigene Handlungsmacht ausübten. Diese Befunde fordern das gängige Narrativ zeitloser Verfolgung ‚häretischer‘ Gruppen im Osmanischen Staat heraus und leisten so einen Beitrag zur historisch-kritischen, nuancierten Bewertung alevitischer Geschichte der Neuzeit.
Elif Yıldızlı, M.A. ist Promotionsstipendiatin der Friedrich-Ebert-Stiftung, Doktorandin in der Graduate School of Sociology (GRASS), Institut für Soziologie, Westfälische Wilhelms-Universität Münster:
Der Vortrag ist angelehnt an das eigene Dissertationsprojekt mit dem vorläufigen Arbeitstitel „Übersetzung zwischen religiösen Traditionen und Rechtsstaatlichkeit in der Türkei“ in der es um die milieuspezifische Lage der Aleviten und alevitische (zivilgesellschaftliche) Organisationen in der Türkei geht. Im Fokus des Vortrags steht die Vorstellung der qualitativen Analysemethode des Dissertationsprojekts nämlich: „Makroanalytische Tiefenhermeneutik“ (siehe dazu: Renn, J. (2018): Makroanalytische Tiefenhermeneutik. Qualitative Sinnrekonstruktion als Gesellschaftsanalyse. In: Müller, S.; Zimmermann, J. (Hg.): Milieu-Revisted. Forschungsstrategien der qualitativen Milieuanalyse. Wiesbaden: Springer, S. 157-246) und die spezifische Heuristik, die dieser Methode zur Grunde liegt. Ziel ist es mit der Methode (latente) Sinnstrukturen durch aufwendige tiefenhermeneutische Interpretationen zu erschließen und milieuspezifische Sinnhorizonte zu rekonstruieren. Dabei liegt der Fokus u.a. auf einer fallspezifischen Sequenzanalyse, um Bedeutungsbrüche zwischen Sinnhorizonten zu identifizieren. Letztendlich kommt es darauf an, „die latenten Beziehungen des Falles zu gesellschaftlichen Konstellationen in eine soziologisch gehaltvolle Analyse der Makrokonstellationen zu übersetzen“ (ebd.: 233). Die theoretische Heuristik der Analysemethode wurde mit einem beispielhaften Interpretationsversuch und Analyse einer Interviewsequenz veranschaulicht und anschließend im Plenum diskutiert.
Dilek Aysel Tepeli, M.A. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Forschungskolleg Religiöse Pluralität und ihre Regulierung in der Region, Universität Bochum:
Im Rahmen des Forschungskollegs „Religiöse Pluralität und ihre Regulierung in der Region“ am Centrum für religionswissenschaftliche Studien in Bochum forschen zehn Doktorandinnen und Doktoranden zu Fragen der friedlichen Koexistenz religiöser und nicht religiöser Gruppen. Das Promotionsprojekt von Aysel Tepeli befasst sich im Rahmen dessen mit der Binnendifferenzierung von Türkeistämmigen und untersucht die Bedeutung historischer Verletzungsverhältnisse zwischen Aleviten und Sunniten für die Identitätskonstruktionen und Intergruppenbeziehungen von jungen Erwachsenen. Im Kolloquium diskutierte die Doktorandin empirisches Material zum Thema „imaginierte sunnitisch-alevitische Ehe“ und zeigte die psychosozialen Auswirkungen des historischen Verletzungsverhältnisses in Form von intergenerational tradierten und internalisierten Ängsten gegenüber einer Ehe mit einem sunnitischen Mann auf.
Hasret Tiraz, M.A. ist Doktorand an der Pädagogischen Hochschule Weingarten. Darüber hinaus ist er als Interpret und Studiomusiker tätig und arbeitet Instrumentallehrer und Orchesterleiter an der städtischen Musikschule Bochum:
Mein Projekt stellt eine Befassung mit religiösen Gesängen im Alevitentum unter dem Aspekt ihrer traditions- und identitätsstiftenden Potenziale dar. Das Hauptaugenmerk richtet sich insbesondere auf textliche Verfahren der Identitätskonstruktion, die ich anhand eines exemplarischen Korpus an Gedichten aus der Zeit zwischen 16. und 19. Jahrhundert untersuche. Ich behandele zudem Fragen zur Medialität der historischen Kulturüberlieferung der Aleviten und diskutiere zentrale Paradigmen der wissenschaftlichen Konzeptualisierung der Dichtungstradition beginnend in der frühen Phase der türkischen Republik bis in die Gegenwart. Das Colloquium bot mir eine produktive Diskussionsplattform, sodass ich wichtige Impulse bezüglich der methodischen Auseinandersetzung mit der Thematik erfahren habe und mein Vorhaben in diversen Punkten konkretisieren konnte.
Sinibaldo De Rosa, M.A. AHRC SWW DTP devlet bursu ile Drama (Exeter Üniversitesi) ve Müzik (Cardiff Üniversitesi) bölümler arasında bir doktora adayıdır. 2017-2018 arasında altı ay boyunca Orient İnstitut İstanbul’da doktora araştırma bursu kazandı:
Oturum sırasında profesyonel tiyatro ve dans çalışmalarının bir parçası olarak ayin-ı cem ritüellerinin çağdaş adaptasyon süreçleri üzerine doktora araştırmamı genel kapsamda aktardım. Bu doğrultuda, tezimdeki ana vaka çalışmalarını oluşturan üç performans olayını belirledim. Bunlar: Rahmetli Prof. Dr. Nurhan Karadağ'ın yönettiği ve yarı amatör tiyatro kumpanyası Ankara Deneme Sahnesi tarafından halen gerçekleştirilen deneysel gösteri Kardeşlik Töreni - Samah (1984-2018); dansçı, müzisyen ve yapımcı Mazlum Çimen'in sanat yönetimi ve ekoloji örgütü Fondation Nicholas Hulot işbirliğiyle Fédération Union des Alevis en France (FUAF) tarafından tasarlanan mega kutlama etkinliği Doğa Aşkına - Terre Mon Amour (2014); Cem Yıldız’ın canlı müziği eşliğinde ve Bedirhan Dehmen’in koreograflığını üstlendiği üç erkek aktörün çağdaş dans eseri Biz - We (2014).
Araştırmam bu sahnelenen dramaturjileri bedenleşme ve performans konusuna çeşitli metodolojiler aracılığıyla bakarak, Aleviliğin kamusal ve uluslararası bir kimlik olarak yeniden üretimini sorgulamaktadır.
Çiçek İlengiz, M.A. ist Doktorandin am International Max Planck Research School for Moral Economies of Modern Societies (IMPRS Moral Economies) Berlin:
Fiziksel ve insanı yıkıma vurgu yapmak için sıklıkla “Ikinci 38” diye anılan 90lı yıllarda, Dersim anakım medyada ilk defa “delileri” ile yer bulur. Türkiye’nin ilk “deli” heykelinin açılışı Seywuşen olarak anılan Hüseyin Tatar’ın 1994 yılında öldürülmesi üzerine dönemin belediye başkanı Mazlum Aslan’ın girişimi ve TBMM Başkan Vekili Kamer Genç’in maddi desteği ile 1995 yılında resmi törenle gerçekleşir. Kanal D muhabirinin deyişiyle “hayatının kırk yılını sokakta yaşayarak geçirmiş olan bir kişinin Türk büyükleri arasına katılması” Hüseyin Tatar heykelinin Dersim merkezde açılmasıyla gerçekleşir.
Bu sunumda heykelin hikayesinden yola çıkarak Hüseyin Tatar’ın doğup büyüdüğü Beydamı köyünü 1960lı yılların ortasında terketmesi, Dersim merkezde yaşamaya başlamasıyla Seywuşen’e dönüşme süreci ve öldürülmesinin ardından mezarının ziyarete evrilmesi ele alınmaktadır. Dersim’in yakın dönem siyasi tarihine halk arasında popülerleşmiş bir figür üzerinden bakılmaya çalışılan bu sunumda Dersim’de psikiyatrinin kurumsallaşması, inançsal pratiklerdeki dönüşüm ve devlet şiddeti tarihinin ortak bir okuması yapılmaya çalışılmaktadır.
Senem Candaş, M.A.:
Almanya’da ve Türkiye’de yaşayan Alevilerin LGBTİ+ bireyleri, cinsiyetler ve kuşaklar açısından algılayış biçimlerindeki benzerlik ve farklılıklar ile Alevi LGBTİ+ kişilerin Alevi toplumunda temsilleri araştırmanın ana eksenini oluşturmaktadır.
Alevilik teolojisine baktığımızda „can olmak“ kavramı cinsiyetler üstü bir kavramdır. İnanca göre kadın, erkek yok; „can olmak“ vardır. Buradan yola çıkarak Alevilik inancının ilkeleri ile Alevi toplumunun gündelik pratiği açısından „can olmak“ kavramı nereye denk düşmektedir?
Ötekileştirilme politikaları ile mücadele eden Alevi örgütlenmelerinin ve toplumsal yaşam içindeki Alevi bireylerin -inancın özü ve gündelik yaşam pratiği temelinde- toplumun diğer başka ötekileştirilmiş kimliğine sahip LGBTİ+ bireylere karşı algıları, yargıları, söylemleri ve eylemleri nedir? Diğer yandan Alevi toplumunun içinde nicel olarak daha azınlık olduğu öngörülen Alevi LGBTİ+ bireyler kendilerini Alevi toplumunda nasıl konumlandırmaktadır? Alevi LGBTİ+ bireylerin kendilerini tanımlama biçimleri, Alevi toplumunda açık ve görünür olma/ol(a)mama nedenleri nedir?
Göç, kültürel değişim ve farklılıkların etnik/ inanç kimlik üzerindeki etkilerinin bu algılayış ve ifade biçimlerinde ne tür bir dönüşüm ya da aynılık yarattığı da araştırmada başat konular olacaktır.
Benjamin Raßbach, M.A. Doktorand an der Universität Leipzig:
Beim DoktorandInnenkolloquium in Friedrichshafen habe ich grundlegende Aspekte meines Themas (Arbeitstitel: „Sakrale Geographie des Widerstands – religiöse und politische Mythologie heiliger Orte in Kurdistan.“) vorgestellt. Da ich mich mit drei minoritären Religionen in Kurdistan – den kurdischen AlevitInnen, den YezidInnen und den Ahl-e Haqq – beschäftige und das Kolloquium den Schwerpunkt alevi studies gesetzt hatte, habe ich mich exemplarisch auf die Region Dersim beschränkt. Hier ging es mir darum die wechselseitigen Verbindungen und Bezugnahmen des regionalen AlevitInnentums und der PKK zu beleuchten. Um dieses Verhältnis in seinem Kontext richtig zu verstehen, habe über das Verhältnis des türkischen Staats zu Dersim und die verschiedenen linkspolitischen Gruppierungen besprochen, die sich dort in den 1960er und 1970er Jahren etablierten. Außerdem habe ich betont, wie sich das Verhältnis der PKK zu den Religionen in der weiteren Region seit den 1980er Jahren verändert hat und wie sich auf dieser Grundlage wechselseitige Bezüge entwickeln konnten.
Meine Forschung wird diese Bezüge anhand von kurzen mythologischen Erzählungen herausarbeiten, die sich auf „heilige Orte“ (ziyarets) in der Landschaft beziehen. Aus diesen Erzählungen heraus ist oft sehr direkt erkennbar, wie sich religiöse Traditionen und politische Bewegungen praktisch und theoretisch zueinander verhalten und wie sich dieses Verhältnis im Laufe der aktuellen Konflikte verändert.
Im Anschluss an die Vorträge stellte Dr. Johannes Zimmermann (Heidelberg), der als Gastdozent zum Doktorandenworkshop eingeladen war, die Forschungsstelle „Handschriften aus alevitischen Familienarchiven“ an der Universität Heidelberg - Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients vor. Die Forschungsstelle sammelt, digitalisiert und bearbeitet als Leihgabe Handschriften und osmanische Drucke aus alevitischen Dede- und Laien-Familien.
Zimmermann kündigte ferner die in Kooperation mit dem Alevitischen Bildungswerk „Şah İbrahim Veli”e.V. und vom Seminar für Sprachen und Kulturen des Vorderen Orients angebotenen Seminartage „Handschriften aus alevitischen Familienarchiven“ am 1. und 2. März 2019 an. Ziel ist es derart Bestände unter Nachwuchswissenschaftler_innen, die zum Alevitentum und seiner Geschichte forschen, bekannter zu machen und ihnen den Zugang zu solchen Quellen zu ermöglichen.
Für nähere Informationen und/oder Fragen zur Anmeldung (Anmeldevoraussetzungen) Email an: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! (Anmeldung bis zum 01. November 2018).
Die Veranstaltung endete mit einer konstruktiven Evaluation und der Planung des nächsten Doktorandentreffens in dieser Form im Frühjahr 2019.
Elif Yıldızlı, M.A. (Münster)
[1] Die einzelnen Abstracts der Vorträge wurden von den jeweiligen Doktoranden selbst verfasst und wurden von der Autorin dieses Textes editiert.